Rede Masterfeier 2009

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Neue Zeit, alte Tugenden

Enlarged view: Dr. Basil Heeb

Liebe Absolventinnen und Absolventen,

Liebe Eltern und Freunde,

Sehr geehrte Frau Professorin, sehr geehrte Professoren,

Es ist eine grosse Ehre, fast 20 Jahre nach meiner Diplomfeier als Gratulant hier zu stehen. Und es ist mir eine noch grössere Freude, euch gleich zu Beginn herzlich zu eurem Erfolg zu gratulieren und gleichzeitig alles Gute für die Zukunft zu wünschen. Mit dem Erreichten habt ihr einen Rucksack geschnürt, auf den ihr zu Recht stolz sein könnt und der äusserst nützlich und wertvoll für eure weitere Entwicklung ist. Ihr könnt und solltet also mit Mut und Zuversicht in die berufliche Zukunft starten.

Die Rückkehr an einen Ort nach langer Zeit regt natürlich zu Gedanken an „damals" an, was gleich geblieben ist und was sich verändert hat. Und offensichtlich hat sich Vieles verändert. Die tollen Räumlichkeiten hier auf dem Hönggerberg sind entstanden, aus dem Diplom wurde ein Master, und wie ich auf dem Internet sehen konnte, ist der Studienplan noch wesentlich breiter, interessanter und anspruchsvoller geworden. Dies alles sind Zeichen des Wandels, der Modernisierung, einer Reaktion auf Veränderungen, die sich in dieser Zeit nicht nur in Forschung und Lehre, sondern auch in den Unternehmen und der Gesellschaft abgespielt haben. Diese Veränderungen fordern uns permanent und werden es auch in Zukunft tun. Doch ich will mich heute für einmal nicht mit dem Wandel beschäftigen. Im Gegenteil: ich möchte über das nachdenken, das meines Erachtens in jeder neuen Zeit, also unabhängig vom jeweiligen Zeitgeist mit seinen Moden und Prioritäten, Bestand haben muss. Ich nenne es bewusst „alte Tugenden"; „alt" ist dabei bitte nicht mit „altmodisch" oder „altväterisch" zu verwechseln, obwohl oder gerade weil dies öfters gemacht wird, sondern soll in diesem Zusammenhang als „traditionell" oder „bewährt" verstanden werden.

Dass gerade ein Banker in der heutigen Zeit über dieses Thema nachdenkt, entbehrt oberflächlich betrachtet nicht einer gewissen Ironie. Aber erstens bin ich ja ein Quereinsteiger, und zweitens soll es Ihnen bewusst machen, dass es auch in dieser Branche Individuen und Organisationen gibt, die die Tugenden, die ich gleich diskutieren werde, den Todsünden gewisser Konkurrenten vorziehen.

Ich will drei Beispiele von solchen alten Tugenden herauspicken, die mir persönlich in der Entwicklung geholfen haben – ich bin da bewusst subjektiv in meiner Auswahl und hoffe, euch ein paar Anregungen mitzugeben.

Langfristigkeit

Mein erstes Thema ist Langfristigkeit. Ich bin überzeugt, dass wir ein neues Zeitverständnis als zentralen Mentalitätswandel brauchen, der der Kurzfristigkeit entgegenwirkt, die das Handeln heute stark bestimmt. Erwartungen werden im Quartalsrhythmus an Unternehmen herangetragen und negative Abweichungen schnell bestraft. Karrieren sollten in Rekordzeit erfolgen, und Vermögen am besten über Nacht geschaffen werden. Geduld scheint ja auch nicht mehr notwendig zu sein, da nach dem Grundsatz „enjoy now, pay later" Bedürfnisse kreditfinanziert sofort befriedigt werden können – an das böse Erwachen danach denken nur wenige. Wir müssen dieser Haltung langfristiges Denken und Handeln entgegenstellen, das nicht nur Beharrlichkeit und Ausdauer verlangt, sondern auch Loyalität und Geduld braucht. Und Ausdauer und Geduld werden wir auch dringend brauchen; die momentane Krise, zum Beispiel, wird weder einfach noch schnell bewältigt werden, und Rückschläge werden uns immer wieder auf den Boden der Realität holen. Langfristigkeit muss auch in Partnerschaften – sei es zwischen Produzenten und Lieferanten oder zwischen Forschern und Unternehmen – Vorrang haben oder, als drittes Beispiel, vermehrt in der Erfolgsbeteiligung von Mitarbeitern berücksichtigt werden. Ein Kernsatz für Langfristigkeit war für mich immer: mit was auch immer ich mich beschäftige, ich will es der nächsten Generation besser übergeben, als ich es selber übernommen habe. (…) In diesem Sinn ist langfristiges Denken auch eine der Grundlagen für Nachhaltigkeit.

Unternehmertum

Unternehmerisches Handeln ist der zweite Aspekt, über den ich sprechen will. Ich hoffe, dass die/der Eine oder Andere von euch Unternehmer werden kann, um die eigenen Ideen bestmöglich umzusetzen. Das werden allerdings nur wenige sein, dennoch können und sollen wir alle unternehmerisch handeln, nämlich Initiative ergreifen, Risiken eingehen und Verantwortung übernehmen. Aber denken wir noch etwas weiter und überlegen, was es zu solchem Handeln braucht. Einerseits Leidenschaft, Leidenschaft für die Tätigkeit selbst, für den Arbeitgeber und für die Mitarbeiter. (…). Und andererseits gehört zum Unternehmertum, dass wir symmetrische Anreizsysteme akzeptieren oder gar bevorzugen. Dieses starke Commitment, im Falle eines Scheiterns auch finanziell die Konsequenzen zu tragen, unterscheidet wohltuend den Unternehmer vom Manager. Wenn also überall der Ruf nach „neuen" Managern ertönt, sollte eigentlich vielmehr die Forderung nach mehr Unternehmern erfolgen. (…).

Glaubwürdigkeit und Verzicht auf Selbstinszenierung

Das dritte und letzte Thema ist Vertrauen. Vertrauen ist ein Multiplikator, der Ideen und Beziehungen weiterentwickeln und verstärken kann. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass ein Multiplikator auch dämpfen kann. Dass er sogar auf praktisch null sinken kann, haben wir leider in jüngerer Vergangenheit lernen müssen: das Finanzsystem ist fast zusammengebrochen, weil aufgrund des massiven Vertrauensverlustes sich die Banken untereinander, aber auch die Konsumenten einigen Banken nicht mehr vertraut und die notwendigen Ressourcen nicht mehr zur Verfügung gestellt haben.

Zwei wesentliche Tugenden für den Aufbau von Vertrauen sind Glaubwürdigkeit und Verzicht auf Selbstinszenierung. Glaubwürdigkeit beruht einerseits stark auf Kompetenz und Erfahrung, andererseits auf Ehrlichkeit. (…) Vertrauen ist jedoch umgekehrt proportional zu Selbstorientierung oder Selbstinszenierung. Kunden wollen nicht zuerst meine Geschichte hören, sondern ihre erzählen, ein Mitarbeiter möchte nicht für mich arbeiten, sondern mit mir im Team erfolgreich sein.

Ich komme zum Schluss: in Zeiten, in denen die Veränderung – gewollt oder ungewollt – zu unserem Alltag gehört, brauchen wir einen roten Faden, einen Kompass für unser Handeln. Für mich sind dies einige „alte Tugenden", die leider keine Selbstverständlichkeit mehr sind, aber in letzter Zeit zu Recht wieder vermehrt

in den Vordergrund rücken. Langfristiges Denken, unternehmerisches Handeln und Gewinnen von Vertrauen durch Glaubwürdigkeit und Verzicht auf Selbstdarstellung sind diejenigen, die mir gute Dienste in meiner Entwicklung geleistet haben.

Ich wünsche euch viel Spass beim wohlverdienten Feiern und einen erfolgreichen Start ins Berufsleben.

Dr. Basil Heeb, 29. Mai 2009

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